Messunsicherheit und Signifikanz
Jedes Messergebnis ist einer Messunsicherheit unterworfen, die von Fehlern und Unsicherheiten aus den
verschiedenen Stufen der Probennahme und der Analyse und der teilweisen Unkenntnis der Faktoren, die das
Ergebnis beeinflussen, herrührt. Nach ISO/DIN 3534-1 ist sie definiert als Schätzwert, der den Wertebereich
angibt, innerhalb dessen der wahre Wert zu erwarten ist.
Die Kenntnis der Messunsicherheit kann bei der Beurteilung der Signifkanz von medizinischen Laborbefunden
sehr hilfreich sein. Zwei wesentliche Fragestellungen sind zu nennen, denen der medizinische Befund dienen soll:
- Wie ist die Absolutlage des Parameters relativ zu einem Referenzbereich (Abweichung und Grad der
Abweichung von der Norm, Erreichen eines Therapieziels etc.)? - Ist der erhaltene Wert signifkant von einem Vorwert verschieden (Verlaufskontrolle)?
In die Beurteilung der „Messunsicherheit“ müssen alle Quellen einbezogen werden. Die Richtlinien zur
Interpretation der Normenserie EN 45000 und ISO GUIDE 25 geben daher auch ausdrücklich an, dass eine
Beurteilung der Wiederholbarkeit und Vergleichbarkeit allein nicht ausreichend ist. Alle relevanten Quellen der
Unsicherheit müssen berücksichtigt werden, insbesondere auch die Probennahme, die im medizinischen
Laboratorium eine entscheidende Rolle spielt.
Die für die Signifkanzbetrachtung entscheidende Gesamtmessunsicherheit im medizinischen Laboratorium
hängt zumindest ab von:
- Einfussgrößen(= in vivo Determinanten):
- biologisch physiologische Einfüsse (u.a. Geschlechtsdifferenzen, Alter, Ernährung,
Belastungszustand, Körperlage, Tagesrhythmik) - Einfüsse diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen, z.B.
- i.m.-Injektion
- pharmakologische Veränderungen im Stoffwechsel
- pathologische Einfüsse (Trauma, Operationen, Schock)
- Einfüsse, die sich aus der Probennahme ergeben (s.u.)
- Störfaktoren(= in vitro Determinanten):
- als Konsequenz diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen, insbesondere Störung durch
Pharmaka - Störung durch Probenbestandteile, die noch vor Abnahme in vivo oder durch falsche Lagerung
der Probe in vitro auftreten - insbesondere der Probennahme als Fehlerquelle
- Einfussgrößen (Art der Proben, Körperlage, Stauungszeit, Tageszeit, Lipämie, Hämolyse usw.)
- Störfaktoren (Gerinnung, Hämolyse, Lagerung, Lichtexposition, Raumluft usw.)
- der Präanalytikb (Transport, Probenvorbereitung etc.)
- der Präzisionb des analytischen Laborprozesses (Maß für den statistischen Fehler bei wiederholter
Messung = Streuung). Das Maß für die Präzision ist der Variationskoeffzient. Seine Größe kann stark
von der Lage des Messwertes abhängig sein (z.B. kann eine Methode bei niedrigen Messsignalen eine
größere relative Streuung aufweisen als bei höheren) - der Richtigkeit des analytischen Laborprozesses (Maß für die Messsystem- abhängige Abweichung
vom “wahren Wert”)
Eine Reihe dieser Punkte, die die „Gesamtmessunsicherheit“ bedingen, sind stark abhängig von den
individuellen Gegebenheiten beim Patienten. Eine Abschätzung des Beitrags dieser Unsicherheit kann nur in
Kenntnis des betroffenen Individuums und der medizinischen Gegebenheiten vorgenommen werden.
Entscheidend ist die Erkenntnis, dass diese Beiträge für sehr viele Analyte wesentlich größer sind als die
eigentlichen analytischen Variablen der Messunsicherheit (Richtigkeit und Präzision).
Im Rahmen der Qualitätskontrolle wird die Berechnung der analytischen Präzision und Richtigkeit für alle
quantitativen Parameter ständig aktualisiert.
Wir haben uns bemüht, die für die Beurteilung der Gesamtmessunsicherheit wichtigen Spezifka der einzelnen
Analyte, z.B.
- Molekülgröße, die den Einfuß von Stauungszeit und Körperlage bei der Probenahme entscheidend
mitbestimmt - Halbwertszeit bei Medikamenten
- Einfussgrößen und Störfaktoren
in diesen Laborinformationen aufzulisten. Die Ärzte des Labors stehen zur Diskussion der Signifkanz eines
Befundes jederzeit zur Verfügung. Sie werden die aktuellen Daten zur analytischen Messunsicherheit sowie
Überlegungen zur Präanalytik in die Diskussion des Individualbefundes einbringen.